ILJA REPIN #kunstmomente

Publikation:

Bilder sind nicht fiktiv sondern anschaulich. Festschrift für Christa Schwinn hg. v. Hans-Caspar Graf von Bothmer
Saarbrücken 2005
Seite 155-166

Textauszug Seite 163f.:

Marion Vogt: Ilja Repin als Portraitist. Gestaltungsprinzipien im Spannungsfeld von Akademie und Avantgarde

[…] Im Doppelportrait Repin – Nordman verstärkt die planimetrische Anlage der Komposition den Eindruck körperlicher Nähe des beieinander sitzenden Paares. Doch obwohl einander zugeneigt, gehen die Blicke und damit die Orientierung der beiden Figurenkörper in verschiedene Richtungen.
Deutlich stellt Repin das aktive und unabhängige Wesen der Nordman heraus. Das Bildnis seiner selbstbewussten Frau unterscheidet sich somit grundlegend von jenem der introvertierten Vera, sie ist zugleich als vitaler und von ungleich wärmerer Ausstrahlung als die Baronin Hildenbandt.

Diese Charakterisierung stimmt mit den wenigen über Natalja Nordman bekannten biographischen Daten überein. Bei den Zeitgenossen galt sie aufgrund ihrer als exzentrisch bewerteten Ideen als eine der faszinierendsten Frauengestalten. 1863 in Finnland als Tochter eines schwedischen Admirals und einer russischen Adeligen geboren und mehrsprachig aufgewachsen, erhielt Natalja Nordman schon früh Musik- und Zeichenunterricht. Ab 1885 bewegte sie sich in den Künstlerkreisen um die befreundete Fürstin und Kunstmäzenin Tenischewa, die sie schließlich auch mit Repin bekanntmachen sollte. Ihrer demokratischen Gesinnung gemäß, verwendete Nordman sich öffentlich für die Rechte der Dienerschaft, setzte darüber hinaus durch, dass Repin seine drei unehelichen Kinder anerkannte und deren Mütter finanziell unterstützte.
Zudem war sie maßgeblich in der russischen Vegetarier-Bewegung engagiert, der Lew Tolstoj und – beeinflusst durch diesen – seit Anfang der 1890er Jahre auch Ilja Repin angehörte. Der aus gesundheitlichen Gründen praktizierte Vegetarismus und die daraus entspringende äußerst spartanische Lebensweise im Hause Repin sollte bald Stadtgespräch sein.

Aber nicht nur der neuartige Frauentypus prägt das Bild, auch in der Verwendung der Gestaltungsmittel, wie der betonten Ausschnitthaftigkeit und dem aufgelösten Pinselstrich unterscheidet sich die offensichtlich in impressionistischer Nachfolge stehende Darstellung wesentlich von den bislang betrachteten Bildnissen. So zeigt sich in der Wahl des Bildausschnittes mit seinen starken Überschneidungen im Bereich der Ränder unübersehbar der Einfluss der Photographie, die sich nach ihren Anfängen um 1839 zum Ende des Jahrhunderts hin längst auch in Künstlerkreisen etabliert hatte. In diesem Zusammenhang erscheint wenig zufällig, dass Natalja Nordman selbst eine ausgebildete Photographin war.

Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek ...

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